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Gender Medizin – die feinen Unterschiede zwischen Mann und Frau

Welche Rolle das Geschlecht für unsere Gesundheit spielt

Männer kommen vom Mars und Frauen von der Venus – in Sachen Gesundheit ist an dieser Metapher viel Wahres dran. Denn in der Medizin machen die geschlechtsspezifischen biologischen Besonderheiten entscheidende Unterschiede. Was genau dahinter steckt, wie der Begriff der Gender Medizin damit zusammenhängt und was das für den Bedarf von essentiellen Nährstoffen für Mann und Frau bedeutet, haben wir uns für dich einmal genauer angeschaut.

8.7.2022 5 min Lesezeichen setzen
Frau lächelt in die Kamera, daneben ein

Das Geschlecht spielt eine wichtige Rolle bei der Gesundheitsvor- und fürsorge von Mann und Frau. 

Frauen parken schlecht ein und Männer können nicht kochen – verstaubte Genderklischees, die im besten Fall mit einem müden Schmunzeln quittiert werden. Mittlerweile dürfte jedem klar sein, dass das Geschlecht keineswegs vorgibt, ob Mann oder Frau gewisse Dinge besser oder schlechter kann. Die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern ist in Deutschland gesetzlich geregelt, gesellschaftlich bleibt das Thema Ungleichbehandlung auf der Tagesordnung – mit dem Ziel, sie in allen Lebensbereichen aus der Welt zu schaffen. Bei der Gesundheitsvor- und fürsorge sieht das Ganze allerdings etwas anders aus: Rein biologisch betrachtet haben der männliche und weibliche Organismus verschiedene, geschlechtsspezifische Eigenschaften, die z.B. die Fähigkeiten unseres Immunsystems beeinflussen. In Medizin und Gesundheit ist deshalb die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen tatsächlich sinnvoll – und vor allem notwendig.

Gender Medizin – was ist das?

Unter dem Begriff Gender Medizin werden die biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern und ihre Bedeutung für unsere Gesundheit immer mehr ins Licht gerückt. Denn die Besonderheiten der männlichen und weiblichen Physiologie fanden in der Medizin lange wenig Beachtung. „Nun gibt es doch bereits spezielle Ärzte für Männer und Frauen“ – wird dir jetzt vielleicht im Kopf rumschwirren. Ja, da ist was dran, allerdings sind Gynäkologen und Urologen ausschließlich auf die Geschlechtsorgane und die sekundären Geschlechtsmerkmale spezialisiert. Heute wird immer deutlicher, dass die Unterschiede zwischen Mann und Frau weit darüber hinausgehen.

Doch wie kam‘s nun eigentlich zu einer differenzierteren Betrachtung der Geschlechter in der Medizin? Dass Beschwerden bei Frauen und Männern unterschiedlich verlaufen und andere Symptome auftreten können, ist allmählich in den 1980er-Jahren klar geworden. Damals fiel Ärzten und Ärztinnen auf, dass sich Herzinfarkte bei Frauen anders äußern als bei Männern: Beim männlichen Geschlecht waren häufiger Schmerzen in der Brust und den Armen zu beobachten, beim weiblichen unter anderem zwischen den Schulterblättern und im Nacken. Auch das Bewusstsein dafür stieg, dass Männer und Frauen mit Beschwerden häufig anders umgehen und dabei auch Symptome auf unterschiedliche Art kommunizieren.

Warum brauchen wir eine geschlechtssensible Medizin?

Die Grundlage der medizinischen Versorgung sind Studien zur Erprobung von Arzneimitteln und Behandlungsmethoden – mit einem durchschnittlich 75kg schweren Mann. Frauen nahmen lange Zeit gar nicht an solchen Studien teil, denn mit dem männlichen Geschlecht lässt sich‘s schlichtweg einfacher forschen. Das liegt nun nicht daran, dass der männliche Körper etwa das Idealmaß aller Dinge wäre oder, dass Männer die simpleren Geschöpfe sind – um an dieser Stelle weitere Klischees zu strapazieren. Es liegt vor allem daran, dass Männer weniger hormonelle Schwankungen durchmachen. Und, der offensichtlichste Unterschied, etwas, was Männer definitiv nicht können: Kinder zur Welt bringen. Die Möglichkeit einer noch nicht bemerkten Schwangerschaft stellte in der Regel ein zu hohes Risiko dar. Vor allem aus diesen Gründen machte es sich die hohe Kunst der Wissenschaft dann doch sehr einfach: Mit ein paar statistischen Anpassungen des Gewichts und der Körpergröße wurde aus den Ergebnissen eine generelle Eignung der Arzneimittel und Behandlungsmethoden auch für Frauen abgeleitet. 

Kaum verwunderlich, dass in der Praxis schnell etliche Stolpersteine auftauchten: Zum Beispiel fanden Mediziner und Medizinerinnen heraus, dass die weibliche Leber manche Medikamente schwerer verstoffwechselt. Auch braucht eine Tablette für den Weg durch Magen und Darm einer Frau etwa doppelt so lange wie bei einem Mann. Da heute in vielen Bereichen der Medizin noch der männliche Standard gilt, sind manche Medikamente für Frauen überdosiert und die Nebenwirkungen um rund 30 Prozent höher.

Gesundheit bei Männern und Frauen – worin liegt der Unterschied?

Frauen sind natürlich nicht einfach kleinere und leichtere Männer, biologisch gesehen sind sie bis in jede Körperzelle hinein eigentlich ganz anders. Schauen wir genauer hin: In jeder Zelle befindet sich das Erbmaterial mit unseren Genen – und vielleicht erinnerst du dich noch dunkel an den Biologieunterricht und die Sache mit dem X und Y-Chromosom. Frauen haben im Gegensatz zu Männern zwei X-Chromosomen, der Mann ein X- und ein Y-Chromosom.

Genau dieser kleine Unterschied ist der Ausgangspunkt, warum die männliche und weibliche Physiologie sich grundsätzlich unterscheiden. Denn der Bauplan für alle unsere Organe und jede einzelne Zelle weicht bei den Geschlechtern grundlegend voneinander ab. Auch steuern unsere Gene die geschlechtsspezifischen Sexualhormone, die beispielsweise die Aktivität unseres Immunsystems beeinflussen: Das weibliche Östrogen wirkt stimulierend auf unsere Abwehrkräfte, Testosteron dagegen bremst die Immunabwehr eher. Unterm Strich haben Frauen deshalb ein stärkeres Immunsystem.


Infografik mit Mann und Frau zu geschlechtsspezifischen Unterschieden.

Einige Unterschiede von Mann und Frau in Sachen Gesundheit und essentiellem Nährstoffbedarf. 

Gesundheit geschlechtssensibel unterstützen – essentielle Nährstoffe für Männer und Frauen

Ähnlich wie in der Medizin sind auch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern hinsichtlich der Ernährung bisher wenig beachtet worden. Dabei stellt sich die Frage: Brauchen wir als Mann oder Frau verschiedene essentielle Nährstoffe für unsere Gesundheit? Generell gilt: Sich ausgewogenen zu ernähren ist für beide Geschlechter wichtig. Dabei profitieren Männer und Frauen gleichermaßen von gesunden Lebensmitteln wie Obst, Gemüse und Vollkornprodukte.

Der wichtigste Unterschied: Frauen haben einen geringeren Energiebedarf, benötigen aber im Schnitt die gleiche Menge an essentiellen Nährstoffen wie Männer. Das heißt unterm Strich: Für das weibliche Geschlecht sind nährstoffreichere Lebensmittel sinnvoll, um die Versorgung mit essentiellen Nährstoffen sicherzustellen. Männer hingegen haben einen höheren Energiebedarf als Frauen, d.h. sie können einfach von allem etwas mehr essen.

In Sachen Mikronährstoffe, wie Vitamine und Spurenelemente brauchen Frauen und Männer im Schnitt von allen etwa die gleiche Menge. Einzige Ausnahme: Eisen und Zink. Frauen haben aufgrund der Menstruation einen höheren Eisenbedarf. Männer benötigen mehr Zink, da sie mehr schwitzen und damit das Spurenelement ausscheiden. Weiterer Sonderfall bei der Frau: Schwangerschaft und Stillzeit. In diesen besonderen Phasen werden mehr essentielle Nährstoffe benötigt, wie beispielsweise Folsäure oder Jod.